"Spurensuche am Niederrhein" - Familie Gordijko aus der Ukraine trägt sich ins Gästebuch der Stadt ein
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In dieser Woche empfing Bürgermeister Harald Lenßen besonderen Besuch im Rathaus Neukirchen-Vluyn. Mit Unterstützung des Vereins "Erinnern für die Zukunft" hielten sich Mykola Gordijko, seine Ehefrau Oksana und der gleichnamige Sohn Mykola in Neukirchen-Vluyn auf, um auf Spurensuche zu gehen, denn der Vater, Schwieger- und Großvater Wladimir Evsejewitsch Gordijko arbeitete in der Zeit von 1943 bis 1945 als Zwangarbeiter auf der Zeche Niederberg.
Dem Empfang im Rathaus und dem Eintrag ins Gästebuch der Stadt waren ein Besuch auf dem ehemaligen Zechengelände und in der Holtmannstraße (ehemals Unterkunft von Zwangsarbeitern in der Stadt) vorausgegangen.
Mykola Gordijko hat erst spät vom Aufenthalt seines Vaters als Zwangsarbeiter in Deutschland erfahren. Der Vater starb bereits 1990. Erst bei der Auflösung der Wohnung seiner Mutter im letzten Jahr war er auf eine Einladung des Vereins "Erinnern für die Zukunft" aus dem Jahre 2001 (der Tod des Vaters war dem Verein damals leider nicht bekannt) aufmerksam geworden und begann mit den Nachforschungen. Zwar habe der Vater ihm in Kindertagen von der Schwerstarbeit auf einer Schachtanlage erzählt, sich ihm gegenüber jedoch nie weiter zu dieser Zeit und dem Ort geäußert.
Ende Oktober 2009 setzte sich die Familie Gordijko mit dem Verein "Erinnern für die Zukunft" in Verbindung und bat um mögliche Informationen über den Aufenthalt von Wladimier Evsejewitsch Gordijko in Deutschland. Dabei konnte rekonstruiert werden, dass Wladimir Evsejewitsch Gordijko 1943 als damals 18-jähriger nach Neukirchen-Vluyn kam und Zwangsarbeit im Bergwerk Niederberg verrichten musste. Unter schwierigsten Lebensbedingungen war der junge Mann gemeinsam mit anderen Landsleuten im "Ostarbeiterlager Holtmannstraße" untergebracht. Gegen Ende des Krieges 1945 musste er schließlich in der Nähe von Köln Schützengräben ausheben.
Die Orte, an denen Wladimir Evsejewitsch Gordijko während der NS-Zeit unfreiwillig einen Teil seines Lebens verbringen musste, suchten die Nachkommen nun in diesen Tagen auf, um die Geschichte auch für sich selbst zu begreifen und aufzuarbeiten. Dabei betonten Mykola Gordijko und seine Familie, dass die Reise nach Deutschland auschließlich unter dem Blickpunkt der Versöhnung stattfinde.
Entsprechend lautet der Eintrag ins Gästebuch der Stadt:
Durch den Verein „Erinnern für die Zukunft“ in Moers ist uns die Möglichkeit gegeben worden an den Niederrhein zu kommen. Mit Neukirchen-Vluyn suchen wir den Ort auf, an dem unser Vater und Großvater in der Zeit von 1942 - 1945 als junger Mensch unter den schwierigsten Umständen Zwangsarbeit leisten musste.
Unrecht, Menschenverachtung und Leid dürfen niemals vergessen werden. Deshalb sind wir dankbar, dass sich Deutsche an scheinbar längst vergessene schlimme Dinge erinnern.
Für die Einladung und den heutigen Empfang durch den Bürgermeister der Stadt Neukirchen-Vluyn bedanken wir uns ganz herzlich.
gez. Mykola Gordijko
gez. Oksana Gordijko
gez. Mykola Gordijko
Für die Stadt Neukirchen-Vluyn versicherte Bürgermeister Harald Lenßen, dass es selbstverständlich und nach wie vor notwendig sei, zur dunklen Vergangenheit der deutschen Geschichte zu stehen und die Aufarbeitung der Geschehnisse und insbesondere auch der persönlichen Schicksale weiter voranzutreiben. Die Stadt werde alle Initiativen dazu unterstützen und den ihr möglichen Beitrag dazu leisten.